Folge 11: Ich hör True Crime! Und du?

Shownotes

Weiterführende Informationen und Untertitel gibt es auf:
https://www.euro-fh.de/podcast-psychknowledge/

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00:00:05: Hallo und herzlich willkommen

00:00:06: zu PsychKnowledge, dem Psychologie-Lernpodcast der Euro-FH.

00:00:09: Mein Name ist Franziska Czens und ich bin, wie ihr schon wisst, Soldatin

00:00:13: bei der Bundeswehr und Tutorin an der Euro-FH.

00:00:17: Die heutige Folge ist irgendwie ein Podcast über Podcasts.

00:00:21: Also zumindest für mich.

00:00:22: Denn wenn ich mich mit dem heutigen Thema, nämlich dem Thema True Crime befasse,

00:00:26: dann in meiner Freizeit.

00:00:28: Und zwar durch das Hören von Podcasts.

00:00:30: Aber wie immer wollen wir das Thema natürlich wissenschaftlich angehen

00:00:33: und nicht auf meine Erfahrung zurückgreifen.

00:00:36: Und wir wollen natürlich auch durch die Brille der Psychologie schauen

00:00:39: und das wie immer wir was von uns schon kennt:

00:00:41: Kurz, knapp und auf den Punkt für euch zusammengefasst.

00:00:44: Das mache ich natürlich nicht alleine.

00:00:46: Dafür ist heute Deborah von Haxthausen bei mir.

00:00:49: Debora ist studierte Psychologin, gerade mit dem Studium fertig

00:00:53: und dem True Crime, der Erfolgsgeschichte dieses Formats

00:00:56: und wer es eigentlich aus welchen Gründen konsumiert?

00:01:00: Das hat sie sich ausführlich in ihrer Master Thesis angeschaut.

00:01:04: Könnte sich sogar auch vorstellen, ihre Doktor Thesis dazu zu schreiben.

00:01:07: Also warum höre ich True Crime-Podcasts?

00:01:09: Im Grunde hat sie sich dem Thema gewidmet.

00:01:13: Das Thema True Crime war für sie ganz persönlich interessant,

00:01:16: da sie sich viel mit Psychopathie und der Analyse

00:01:19: von Körpersprache im Allgemeinen, aber auch bei

00:01:21: Serienmördern im Speziellen befasst hat und sich dann immer wieder gefragt hat

00:01:25: Warum finde ich das eigentlich so spannend?

00:01:27: Und ich bin schon ganz auf die Antwort gespannt.

00:01:29: Aber jetzt erst mal: Hallo Deborah. Schön, dass du da bist.

00:01:32: Hallo Franzi, vielen Dank für die Einladung.

00:01:35: Du hast dich ja, wie gerade schon angesprochen,

00:01:36: intensiv mit dem Thema True Crime auseinandergesetzt.

00:01:39: Das klingt ja jetzt erst mal,

00:01:41: ich habe es gerade auch schon angedeutet, nicht so psychologisch.

00:01:44: Erzähl mal bitte, was ganz genau war denn deine Forschungsfrage?

00:01:49: Ja, also im Grunde wollte ich herausfinden, ob das Interesse an dem

00:01:53: Thema True Crime mit bestimmten Personen oder Persönlichkeitsmerkmalen einhergeht.

00:01:57: Also, ob vor allem Frauen oder Männer oder jüngere oder ältere Personen

00:02:02: besonders an dem Thema interessiert sind oder ob sich zum Beispiel eher empathische

00:02:06: oder weniger empathische Personen mit True Crime befassen.

00:02:10: Ja, und deshalb ergab sich für mich die Forschungsfrage,

00:02:13: welche Persönlichkeitseigenschaften den Konsum von True Crime begünstigen

00:02:17: und welche Rolle dabei das Geschlecht und das Alter spielen.

00:02:21: Okay, wir kommen gleich noch mal im Detail darauf.

00:02:23: Natürlich.

00:02:24: Aber wie hast du denn True Crime erst mal definiert, so dass man

00:02:28: damit auch wissenschaftlich arbeiten kann?

00:02:30: Also es ist ja immer der Grundsatz jeder wissenschaftlichen Arbeit,

00:02:33: die Themen dann auch zu operationalisieren.

00:02:36: Ja, also kurz gefasst ist

00:02:38: True Crime erst mal die Erzählung eines wahren Verbrechens bzw.

00:02:42: e ine Geschichte, die Details eines wahren Verbrechens enthält.

00:02:46: Diese Erzählung kann zum Beispiel im Buch- oder Film-Format sein

00:02:49: oder wie es inzwischen besonders beliebt ist in Form eines Podcasts,

00:02:53: wie du ja auch eingangs schon erwähnt hast.

00:02:55: Oder als Dokumentation bei bekannten Streaming-Anbietern wie Netflix.

00:03:00: Ja, und diese tatsächlichen Kriminalfälle werden

00:03:03: dann auf kreative Weise für das Publikum aufbereitet.

00:03:06: Zum Beispiel durch Dramatisieren der Elemente, spannungsgeladene

00:03:10: Musik oder so und der Fokus liegt meist auf der Psyche des Mörders.,

00:03:15: auf seiner Biografie und der Motivation für seine Taten.

00:03:18: Die Netflix-Serie Dahmer zum Beispiel, in der das Leben und Töten

00:03:22: des berüchtigten Serienmörders Jeffrey Dahmer sehr detailreich dargestellt wird,

00:03:26: zählt übrigens zu den erfolgreichsten Netflix-Serien überhaupt.

00:03:30: Spannend!

00:03:30: Das hätte ich jetzt von Netflix nicht erwartet.

00:03:33: Aber das Spektrum, was du gerade aufgemacht hast,

00:03:35: also von Podcast über Serie, das ist alles True Crime sozusagen.

00:03:40: Und das Medium ist erst mal egal dabei. Richtig?

00:03:43: Ja, genau. Das zählt alles zu True Crime und es gibt halt noch mehr.

00:03:48: Es gibt die Podcasts, wie schon gesagt, aber es gibt auch zum Beispiel

00:03:51: die sogenannten True Crime Communities,

00:03:54: die es zum Beispiel auf Facebook oder so gibt.

00:03:56: Und dort werden häufig auch aktuelle Vermisstenfälle thematisiert.

00:03:59: Das gehört auch auf jeden Fall mit zum True Crime-Genre.

00:04:03: In diesen Communities werden

00:04:04: die Zuhörer oder Forenmitglieder zur aktiven Hilfe aufgerufen

00:04:08: und diese beteiligen sich dann quasi an der Verbrecherjagd.

00:04:12: Und dies trifft zum Beispiel auch auf das eher unbekannte Format der True Crime-Events zu.

00:04:17: Hier in Deutschland gibt es zum Beispiel den Crime Day.

00:04:19: Das ist eine richtige Tagung zum Thema True Crime mit verschiedenen Bühnen

00:04:23: und der Möglichkeit, sich Vorträge bekannter Autorinnen

00:04:26: und Autoren anzuhören.

00:04:27: Zum Beispiel war letztes Mal Charlotte Link dabei oder an Talkrunden

00:04:31: mit Podcaster, Psychiatern und Rechtsmediziner teilzunehmen.

00:04:35: Und natürlich werden auch hier aktuelle Fälle thematisiert.

00:04:38: Und noch was ganz Spannendes, was man eigentlich gar nicht so denkt.

00:04:42: Ein sehr bekanntes True Crime-Format ist Aktenzeichen XY.

00:04:46: Das hat bestimmt jeder schon mal gesehen oder zumindest davon gehört.

00:04:49: Ja, stimmt.

00:04:51: Diese Fahndungssendung gibt es schon seit 1967

00:04:54: und in über 500 Sendungen wurden schon fast 5000 Fälle behandelt.

00:05:00: Krass.

00:05:00: Also das Öffentlich-rechtliche ist schon von Anfang an mit dabei sozusagen.

00:05:04: Ganz genau.

00:05:05: Okay, jetzt lass uns aber mal wieder zurückgehen

00:05:07: auf das, was du untersucht hast. Du hast ja schon angedeutet,

00:05:10: du hast dich auf Persönlichkeitsmerkmale spezialisiert.

00:05:14: Und zwar hattest du Empathie gerade schon gesagt.

00:05:16: Jetzt weiß ich aber aus den Vorgesprächen, die wir hatten, dass du auch nach

00:05:20: Sensation Seeking geguckt hast.

00:05:22: Warum hast du dir denn genau diese beiden Merkmale angeschaut

00:05:26: oder warum hast du genau da Zusammenhänge zwischen dem

00:05:29: True Crime-Konsum und diesen Merkmalen vermutet?

00:05:33: Zunächst habe ich mir die

00:05:34: Frage gestellt: Warum interessieren uns bestimmte Medien

00:05:37: und was bringt uns dazu, diese regelmäßig wieder zu konsumieren?

00:05:41: Dazu habe ich als erstes einen Blick in die Medienpsychologie geworfen

00:05:45: und bin dort auch schnell fündig geworden.

00:05:47: Denn die Persönlichkeitsmerkmale, Empathie und Sensation Seeking

00:05:51: sind die Merkmale, die eine große Rolle bei der Wahl der Medien spielen.

00:05:55: Ja, und parallel dazu habe ich die Literatur dazu durchsucht,

00:05:58: welche Persönlichkeitsmerkmale bislang schon im True Crime-Kontext gefunden wurden.

00:06:03: Und auch dort bin ich auf die Merkmale Empathie und Sensation Seeking gestoßen.

00:06:07: Allerdings beziehen sich die Einschätzungen hauptsächlich

00:06:10: auf Vermutungen, die in Interviews zum Thema von Experten geäußert wurden.

00:06:15: Tatsächliche wissenschaftliche Studien existieren kaum.

00:06:19: Also bist du sozusagen ein bisschen Vorreiter auch mit deiner Studie gewesen?

00:06:22: Ja, genau.

00:06:24: Sehr cool.

00:06:25: Dann interessiert mich jetzt natürlich: Was genau hast du herausgefunden?

00:06:29: Ja, eine Menge.

00:06:30: Klar! (lacht)

00:06:33: erst mal bezogen auf die Medienpsychologie zeigt sich,

00:06:36: dass wir mit verschiedenen Medien bestimmte Emotionen verbinden.

00:06:40: Und deshalb wählen wir Medien dann entsprechend,

00:06:42: um eine bestimmte Wirkung zu erzielen.

00:06:43: Zum Beispiel nutzen wir Medien

00:06:45: zur Stimmungs regulation oder zur Bedürfnisbefriedigung

00:06:49: und die Wahl des Mediums und auch die Wirkung,

00:06:51: die dieses Medium auf uns hat, sind uns dabei nicht unbedingt bewusst.

00:06:55: Ganz spannend ist hier übrigens, dass wir oft Medien wählen,

00:06:58: wo sich positive und negative Gefühle in kurzer Zeit abwechseln

00:07:01: und so bei uns eine emotionale Achterbahn der Gefühle auslösen.

00:07:06: Okay, also der Klassiker ich höre jetzt irgendwie Musik,

00:07:09: die mich noch schlechter gelaunt macht gilt sozusagen für alle Medien

00:07:12: oder eben auch genau das Gegenteil.

00:07:13: Mann, ich brauch jetzt mal so einen Energy Booster und such mir meinen Song

00:07:17: oder irgendwie genau meinen Lebenspodcast oder so.

00:07:21: Das ist nicht nur sozusagen gefühlsmäßig, sondern das

00:07:23: ist die Grundlage deiner Untersuchungen tatsächlich.

00:07:25: Ganz genau.

00:07:27: Und ja, wie bereits erwähnt werden Medien halt auch

00:07:30: zur Bedürfnisbefriedigung gewählt und hier kommt dann das Merkmal

00:07:34: Sensation Seeking zum Tragen. Denn Sensation Seeking

00:07:37: beschreibt das Bedürfnis nach einem Kick oder Nervenkitzel.

00:07:41: Um dieses Bedürfnis zu befriedigen, gehen Menschen wirklich große Risiken ein,

00:07:44: bevorzugen zum Beispiel gefährliche Sportarten

00:07:47: und geben sich im Grunde allem hin, was aufregend ist.

00:07:51: Zum Beispiel sexuelle Praktiken, Drogen oder einfach wilde Partys.

00:07:56: Wenn ich jetzt aber im Alltag nicht so die Möglichkeit habe,

00:07:59: diesem Bedürfnis tatsächlich nachzugehen, was ja oft so ist.

00:08:03: Ja, ja, (lacht) das würde ich jetzt mal unterschreiben.

00:08:06: Dann suche ich mir einen Ersatz.

00:08:08: Und dann kommen wieder die Medien und True Crime ins Spiel,

00:08:11: denn gewalthaltige und Angst erzeugende Medien können

00:08:14: durchaus dieses Bedürfnis nach einem Nervenkitzel befriedigen.

00:08:18: Okay, das heißt, diesen Zusammenhang, den hast du auch tatsächlich gefunden

00:08:21: und den hast du für dich sozusagen validiert.

00:08:25: Richtig? Genau.

00:08:26: Und wenn wir jetzt noch einen Blick auf die Empathie werfen...

00:08:29: Unbedingt, Bitte.

00:08:31: Ja, das Ganze ist nicht ganz so einfach.

00:08:33: Das ist etwas komplizierter als bei Sensation Seeking, denn erst mal zunächst:

00:08:37: Empathie ist definiert als Einfühlungsvermögen

00:08:40: und wichtige Eigenschaft, um andere Menschen zu verstehen.

00:08:44: Im Kontext der Mediennutzung sieht das dann allerdings so aus, dass wir uns quasi

00:08:47: in den Zustand der Mediefigur versetzen und deren emotionalen Zustand

00:08:51: nachvollziehen oder auch nachempfinden können.

00:08:54: Generell tragen Gefühle von Empathie zu einem insgesamt

00:08:58: besseren Medienerleben bei. Aber betrachtet man diese Fähigkeit

00:09:02: nun bezogen auf das Thema True Crime, bedeutet dies, dass wir uns in die Opfer

00:09:06: und auch in die Täter und deren Emotionen einfühlen können.

00:09:10: Man sollte hier

00:09:10: ja eigentlich eher annehmen, dass wir uns von diesen Gefühlen distanzieren möchten.

00:09:14: Und das ist generell auch möglich, denn Empathie im

00:09:17: Medienkontext fällt deutlich geringer aus.

00:09:21: Aber grundsätzlich wird es hier entsprechend kompliziert,

00:09:24: denn einerseits zeigt sich halt, dass Empathie das Medienerleben steigert.

00:09:28: Andererseits zeigt sich aber auch, dass gerade empathische Personen True

00:09:32: Crime Themen meiden sollten.

00:09:33: Und das zum Beispiel auch bei der Verbrecherjagd im Internet,

00:09:37: bei diesen eben, was ich eben schon gesagt habe

00:09:39: bei den True Crime Communities wenig empathisch vorgegangen wird.

00:09:43: Also es lagen insgesamt sehr widersprüchliche Erkenntnisse vor.

00:09:46: Zum Thema Empathie?

00:09:48: Korrekt.

00:09:49: Okay, jetzt ist ja Empathie auch immer etwas, was man mit sich, ich sage mal

00:09:54: sehr oberflächlich oder küchenpsychologisch mit Geschlecht in Verbindung bringt.

00:09:58: Man sagt ja häufig: Frauen sind empathischer,

00:10:01: mal so dahingesagt. Jetzt hast du eben genau vorhin auch gesagt,

00:10:04: dass du dir diesen Zusammenhang von Geschlecht, aber auch von Alter

00:10:08: und dem Konsum von True Crime auch noch mal angeschaut hast.

00:10:12: Deborah, was hast du dazu rausgefunden?

00:10:15: Ja, also Frauen sind tatsächlich besonders fasziniert von dem Thema.

00:10:20: Und zwar haben verschiedene Studien gezeigt, dass in True Crime-Podcasts

00:10:24: 73 bzw 93 % der Hörerschaft weiblich ist

00:10:29: und dass 69 % der Frauen die Podcasts während der Hausarbeit hören.

00:10:34: Ja, total spannend.

00:10:36: Da macht man sich sein Leben spannend, wenn es gerade am langweiligsten ist sozusagen.

00:10:39: Richtig, ganz genau.

00:10:42: Ja, aber auch in diesen True Crime Communities sind 80 % der Mitglieder weiblich.

00:10:46: Und ja, in der Literatur wird halt vermutet, dass Frauen aufgrund

00:10:49: ihres empathischen Wesens so fasziniert sind, wie du eben schon gesagt hast und

00:10:54: sich besonders in die Opfer einfühlen, aber auch in die Straftäter

00:10:57: hineinversetzen, um deren Motivation für ihre Taten nachzuvollziehen.

00:11:01: Ja, und was das Alter betrifft, scheint das Interesse an

00:11:04: True Crime mit dem Alter abzunehmen.

00:11:06: In verschiedenen Umfragen hat sich nämlich gezeigt,

00:11:08: dass das Alter der True Crime Interessierten meist unter 35 Jahren lag.

00:11:14: Ah ja, auch spannend.

00:11:16: Kannst du vielleicht dazu noch mal was sagen, ob sich der Altersunterschied

00:11:20: auch auf den Konsum von Krimis und Thriller auswirkt?

00:11:25: Also grundsätzlich kann ich erst mal was zu Geschlecht sagen.

00:11:27: Frauen konsumieren häufiger wie gesagt True Crime Podcasts,

00:11:31: lesen mehr True Crime Bücher,

00:11:32: sind häufiger Mitglieder in True Crime Communities und besuchen

00:11:37: mehr die True Crime Events.

00:11:38: Männer sind hingegen die, die sich gerne dem Filmformat widmen.

00:11:42: Männer suchen den Nervenkitzel und schauen von Sensationslust getrieben,

00:11:47: quasi die eher gewalttätigen, blutigen Darstellungen in Filmen oder Dokumentationen.

00:11:52: Und das betrifft vor allem Männer, bei denen das Sensationsbedürfnis besonders ausgeprägt ist.

00:11:57: Die schauen halt lieber Horrorfilme oder so.

00:11:59: Besonders extreme Darstellungen halt.

00:12:01: Aber auch bei dem Konsum von Büchern zeigen sich Unterschiede,

00:12:04: denn Frauen sind wie gesagt besonders von True Crime-Inhalten angetan

00:12:08: und Männer fühlen sich zu kriegsbasierten gewalthaltigen Inhalten hingezogen.

00:12:13: Soweit die Theorie.

00:12:15: Altersunterschiede könnte ich hier in diesem Zusammenhang jetzt gar nicht so konkret sagen.

00:12:21: Okay. Gut, es bleibt also ein spannendes Forschungsfeld.

00:12:23: Und du hast ja auch gerade schon gesagt: Sensation Seeking, Geschlechterunterschiede,

00:12:28: da konntest du sozusagen deutlich bestätigen, was in der Forschung schon vermutet wurde.

00:12:34: Aber bei Empathie, da waren die Ergebnisse besonders vielfältig

00:12:38: und irgendwie nicht so eindeutig.

00:12:39: Wie müsste man denn deiner Ansicht nach diese Zusammenhänge jetzt

00:12:42: sinnvoll untersuchen, um damit psychologisch auch weiterzukommen?

00:12:47: Also was jetzt das Merkmal Sensation Seeking betrifft,

00:12:50: gibt es ein paar Einschränkungen hinsichtlich des Messinstruments.

00:12:53: Und zwar ist das zwar das gängigste zur Erfassung von Sensation Seeking,

00:12:57: aber leider auch hinsichtlich der Fragen etwas veraltet und ungenau.

00:13:01: Und auch was die Antwortmöglichkeiten betrifft zu starr.

00:13:04: Da könnte schon mal ein anderes Messinstrument Abhilfe schaffen.

00:13:06: Zudem zeigte sich, dass die Stichprobe meiner Studie,

00:13:09: also die Menge aller Personen, die an meiner Umfrage teilgenommen

00:13:12: haben, nicht unbedingt zu den Sensation Seekern gehört.

00:13:15: Denn der Mittelwert für Sensation Seeking lag etwas unter dem Durchschnitt.

00:13:20: So. Bezogen auf Empathie scheint es so,

00:13:22: dass das Einfühlungsvermögen wenig Relevanz für den Konsum von True Crime hat,

00:13:26: denn sämtliche Ergebnisse zeigen keine relevanten Zusammenhänge von True Crime,

00:13:30: obwohl die Stichprobe meiner Studie überdurchschnittlich empathisch war.

00:13:35: Aber jetzt kommt das große Aber.

00:13:36: Denn an dieser Stelle muss ich einmal darauf hinweisen, dass Empathie,

00:13:40: wenn sie als Selbsteinschätzung erfasst wird,

00:13:42: so wie ich das in meiner Umfrage getan habe, besonders von Frauen überschätzt wird.

00:13:47: Also Frauen schätzen sich selbst als empathischer ein, als sie eigentlich sind.

00:13:51: Fand ich total spannend, denn in Experimenten, wo tatsächlich

00:13:55: wahrgenommene Empathie erfasst werden kann,

00:13:57: ergeben sich kaum Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

00:14:01: Ja, und da der Frauenanteil in meiner Studie

00:14:03: leider mit 85 % besonders hoch war, ist es halt fraglich,

00:14:07: wie empathisch die Stichprobe nun wäre, wenn man das Ganze als Experiment erfasst hätte.

00:14:12: Also zusammengefasst kann man sagen, dass die Ergebnisse zur Empathie

00:14:14: nicht ganz aussagekräftig sind aufgrund dessen, dass Frauen

00:14:17: sich als empathischer einschätzen, als sie in Wirklichkeit sind.

00:14:21: Aber auch hier noch mal

00:14:23: Ich habe in meiner Recherche noch andere Aspekte oder Zusammenhänge gefunden,

00:14:27: die den Konsum von True Crime Medien begünstigen könnten und wo auch Empathie

00:14:32: manchmal eine Rolle noch mit spielt.

00:14:34: Zum Beispiel das Thema Angst bzw Angst, Bewältigung und Trauma.

00:14:38: Denn scheinbar werden selbst erlebte Bedrohungen mittels gewalthaltiger Medien

00:14:43: zwar wohldosiert, aber dazu genutzt, die eigenen Erfahrungen zu verarbeiten.

00:14:47: Auch ein total spannender Ansatz für zukünftige Forschung finde ich.

00:14:51: Super spannend.

00:14:52: Und was du gesagt hast, leitet auch perfekt auf meine nächste Frage über.

00:14:56: Nämlich die Frage, welchen Mehrwert du jetzt als Psychologin

00:14:59: aus deinen Ergebnissen und natürlich auch den Studien,

00:15:02: die du dazu schon gelesen hast, zum Thema True Crime ziehst.

00:15:05: Wie kann uns denn das Wissen weiterhelfen?

00:15:08: Also was ich bei meiner Recherche herausgefunden habe, ist halt,

00:15:10: dass das Genre auch einige Probleme mit sich bringt.

00:15:13: Unter anderem: die Kommerzialisierung der Verbrechen

00:15:17: zu Unterhaltungszwecken und das damit einhergehend in die Privatsphäre

00:15:21: der Familien von den Opfern und den Tätern eingedrungen wird.

00:15:24: Und außerdem, was ich auch eingangs schon mal gesagt habe

00:15:26: das wenig einfühlsame Vorgehen der selbst ernannten Detektive im Internet,

00:15:31: die mit massenhaft Spekulationen eindeutig Grenzen überschreiten.

00:15:35: Ja, und dann ist noch ein Problem Die Identifikation mit den Medienfiguren

00:15:40: und die Übernahme zweifelhafter Werte, was insbesondere für die

00:15:44: True Crime Communities relevant ist.

00:15:46: Dort gibt es nämlich nicht nur die, die an dem Thema

00:15:49: als solches interessiert sind, sondern auch den Dark Fandom.

00:15:52: Und dieser Dark Fandom verehrt die Täter und ihre Verbrechen

00:15:56: und findet Ausreden für ihre Taten.

00:15:58: Und das mischt sich leider so, dass hier Grauzonen entstehen,

00:16:01: wo dann quasi die, die sorgfältig auf Angemessenheit achten,

00:16:05: sich mit denen mischen, die moralisch nicht mehr einwandfrei handeln.

00:16:09: Also ich denke, zukünftige Forschung sollte definitiv auch in diese Richtung

00:16:12: schauen und möglichst auch nach Lösungen suchen.

00:16:16: Hast du also sozusagen im Blumenstrauß der Diskussion noch mehr Fragen aufgeworfen,

00:16:22: wo man weiterforschen kann...

00:16:23: Korrekt.

00:16:24: Als du vielleicht am Anfang aufgemacht hast

00:16:26: und die du vielleicht auch erwartet hast an der Stelle. Superspannend.

00:16:29: Und genau so soll ja Forschung auch sein.

00:16:31: Ja, genau.

00:16:32: Was mich natürlich jetzt aber brennend interessiert ist:

00:16:36: Ich habe eingangs über dich gesagt,

00:16:37: du hast dich auch damit befasst, weil du dich selbst gefragt hast,

00:16:40: Warum finde ich die True Crime Podcasts eigentlich so spannend?

00:16:44: Jetzt interessiert mich sozusagen abschließend in der letzten Frage,

00:16:47: bevor wir in die wichtigsten drei Punkte dieses Podcasts

00:16:51: gehen, die Frage: Hast du diese Frage für dich abschließend klären können?

00:16:55: Weißt du jetzt, warum dich das True Crime so interessiert?

00:16:59: Ja, ich konnte das für mich in Anteilen beantworten

00:17:02: sagen wir mal. Einerseits konnte ich einige Fragen für mich klären,

00:17:05: andererseits, wie du eben schon gesagt hast, sind Fragen hinzugekommen.

00:17:09: Also ich denke inzwischen, dass es eine Vielzahl von Gründen gibt,

00:17:12: die uns dazu bringen, sich dem Thema True Crime zu widmen.

00:17:15: Ich habe in meiner Arbeit unter anderem auch Gründe für den Konsum abgefragt

00:17:18: und ich glaube, diese zusammen

00:17:20: mit den Ergebnissen anderer Autoren könnte man gut für weitere Studien nutzen,

00:17:23: um zu schauen, wie relevant diese tatsächlich auch für den Konsum sind.

00:17:27: Häufig genannt wurde unter anderem Interesse,

00:17:31: Eskapismus und die Wahrheitssuche.

00:17:34: Die Antwort, die auf mich am ehesten zutrifft, ist der Punkt Wahrheitssuche.

00:17:39: Diese lässt sich nämlich im Zusammenhang mit einem generell sehr ausgeprägten

00:17:43: psychologischen Interesse sehen und ist besonders für das Profiling interessant.

00:17:47: Denn Profiling beschreibt die Erstellung eines Gesamtbildes

00:17:50: einer Persönlichkeit und ermöglicht so Einblicke in die Psyche der Täter.

00:17:54: Und so können die Taten dann besser nachvollzogen werden.

00:17:57: Also letztlich denke ich, dass das Thema sehr komplex ist und nicht in einer Studie abgehandelt werden kann.

00:18:02: Aber vielleicht ergibt sich für mich ja zukünftig

00:18:05: die Möglichkeit, die Recherche auszuweiten und neue Erkenntnisse zu liefern.

00:18:08: Mal schauen.

00:18:09: Dabei wünsche ich dir auf jeden Fall schon mal viel Glück und Erfolg.

00:18:12: Danke!

00:18:13: Entlasse ich natürlich jetzt

00:18:14: aber nicht aus dem Podcast ohne den von mir schon angeteaserten

00:18:17: schwierigsten Teil, für die Gäste hier.

00:18:19: Nämlich die für das Lernen so wichtige Kurzzusammenfassung.

00:18:23: Also dein Thema und was du zu unseren Zuhörenden gerne mitgeben

00:18:26: möchtest, bitte in drei kurzen Punkten, liebe Deborah.

00:18:31: Also True Crime ist halt

00:18:33: die Darstellung von wahren Verbrechen im Erzähl- oder Geschichten-Format.

00:18:38: Dabei sollte man einfach nicht vergessen,

00:18:40: dass es sich um echte Kriminalfälle und um echte Menschen handelt.

00:18:44: Und True Crime ist zwar spannend, aber doch auch logischerweise negativ behaftet.

00:18:48: Und deshalb sollten wir uns zwischendurch

00:18:50: vielleicht auch immer mal wieder positiven Themen widmen.

00:18:53: Denn die Auswirkungen, die der regelmäßige Konsum auf uns hat,

00:18:56: sind bislang noch nicht erforscht.

00:18:59: Fertig?

00:19:01: Ja.

00:19:01: Super gut!

00:19:02: Das war sehr knapp und präzise.

00:19:05: So schnell kann man bei PsychKnowledge was Neues lernen.

00:19:07: Herzlichen Dank, Deborah, dass du deine Ergebnisse mit uns geteilt hast und

00:19:11: mir auch Einblicke gegeben hast zur weiteren Erforschung dieses Themas.

00:19:14: Ich wünsch dir alles, alles Gute, viel Durchhaltevermögen

00:19:17: für die weitere Forschung.

00:19:19: Ob zu diesem oder zu anderen

00:19:20: Themen und natürlich weiterhin ganz, ganz viel Spaß an der Psychologie.

00:19:24: Danke, dass du heute hier warst und bis bald hoffentlich mal.

00:19:27: Vielen Dank, Franzi. Ich freue mich, dass ich dabei sein durfte.

00:19:30: Und dann an dieser Stelle wie immer meine abschließenden Worte:

00:19:33: Wenn ihr auch mal mit mir in das Gespräch kommen wollt zu einem Thema eurer Wahl,

00:19:38: dann lasst uns gerne eine Notiz da. Alles Liebe und bis bald bei PsychKnowledge.

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