Folge 2: Mythos Achtsamkeit: Was funktioniert wirklich?

Shownotes

Weiterführende Informationen und Untertitel gibt es auf:
https://www.euro-fh.de/podcast-psychknowledge/
https://www.vollerelan.de/

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00:00:05: [Franziska Czens:] Hallo und herzlich willkommen zu PsychKnowledge,

00:00:07: dem Psychologie-Lernpodcast der Euro-FH.

00:00:12: Wie wir euch in unserer Auftaktfolge

00:00:15: schon erzählt haben, ist es uns wichtig, knapp und auf den Punkt

00:00:19: über relevante Themen aus der Psychologie zu sprechen

00:00:21: und sie für euch auch einfach als Lerninhalte aufzubereiten.

00:00:25: Die heutige Folge steht unter dem Motto 'Achtsamkeit'.

00:00:28: Bei mir ist als Expertin heute: Lotte Bock.

00:00:30: Lotte ist Achtsamkeitstrainerin und Psychologin aus Krefeld.

00:00:34: Hallo Lotte, schön, dass du dir Zeit genommen hast!

00:00:36: [Lotte Bock:] Danke schön.

00:00:38: [Franziska Czens:] Liebe Lotte, du bist Dänin und man sagt ja, die Dänen

00:00:41: sind die glücklichsten Menschen der Welt.

00:00:43: Was hat das mit Achtsamkeit zu tun,

00:00:45: aus deiner Wahrnehmung?

00:00:48: [Lotte Bock:] Ja, das finde ich

00:00:49: ein schönes Kompliment.

00:00:51: Und andererseits muss man das natürlich

00:00:52: auch ein bisschen kritisch sehen: Warum sind die Dänen glücklich?

00:00:55: Ist es wirklich eine genetische Frage oder hängt es eher

00:00:58: mit unseren sozialen Möglichkeiten

00:01:01: und den Umständen zusammen.

00:01:05: Nichtsdestotrotz, ich glaube schon, da ist etwas, was

00:01:07: so mit der Einstellung vielleicht zusammenhängt der Dänen,

00:01:11: die vielleicht etwas unter dem Begriff

00:01:14: 'locker sein' und so 'Fünfe gerade sein lassen',

00:01:19: dass diese Einstellung hilft bestimmt auch

00:01:22: zum Gefühl von Glück.

00:01:25: [Franziska Czens:] Und jetzt

00:01:26: hast du ja gerade schon gesagt 'Glück' und 'Fünfe gerade sein lassen'.

00:01:31: Was ist denn,

00:01:32: was hat Fünfe gerade sein lassen denn bei dir mit Achtsamkeit zu tun?

00:01:35: Das ist ja so ein richtiges Buzzword mittlerweile.

00:01:38: Jeder hat eine Meinung dazu.

00:01:40: Manche sagen, ach, es ist totaler Humbug,

00:01:42: andere sagen, es ist super wertvoll.

00:01:44: Definiere uns doch mal bitte, was

00:01:46: du unter Achtsamkeit verstehst.

00:01:48: [Lotte Bock:] Genau.

00:01:49: Also Achtsamkeit ist, wenn man das so ganz auf den Punkt

00:01:52: bringen soll, dann ist es die Fähigkeit,

00:01:55: einerseits öfter im Hier und Jetzt zu sein

00:01:58: und zweitens nicht so oft zu bewerten.

00:02:01: Und die zwei Sachen ...

00:02:03: erst mal können wir feststellen, das steht überhaupt nicht

00:02:05: in der Definition, dass da ein Glücksgefühl unbedingt

00:02:09: dadurch entsteht.

00:02:11: Viele denken, wenn man achtsam ist, dann läuft man so

00:02:14: komplett glücklich durch die Gegend die ganze Zeit,

00:02:16: mit einem kleinen Lächeln, und man hat gar keine störenden Gedanken.

00:02:20: Und so ist es nicht.

00:02:22: Achtsamkeit ist eben die zwei anderen Faktoren.

00:02:24: Das ist diese Fähigkeit, öfter im Hier und Jetzt zu sein.

00:02:28: Und warum ist das so wichtig?

00:02:30: Ja weil, wenn wir darüber nachdenken, was macht uns Stress,

00:02:32: dann ist es ja die Gedanken über die Zukunft,

00:02:36: oft: 'Was könnte kommen?' 'Was wird schiefgehen?'

00:02:38: 'Das schaffe ich nicht.' Und alle diese Schreckensszenarien,

00:02:42: die man sich ausmalen kann, besonders wenn man einschlafen soll.

00:02:45: Oder Gedanken über die Vergangenheit: 'Was hätte ich nicht machen müssen?'

00:02:49: 'Was ist, wenn das nicht passiert wäre?' 'Dann hätten wir das machen können.'

00:02:52: Und alle diese Gedanken

00:02:54: haben nichts mit der Gegenwart zu tun.

00:02:58: Und da kommen wir auch so ein

00:02:59: bisschen näher auf den Punkt, weil Stress ist in sich nicht schlecht.

00:03:03: Also wenn man

00:03:04: zum Beispiel vor einer Prüfung steht oder man sitzt bei einer Klausur,

00:03:07: dann brauchen wir sogar ein gewisses Maß an Stress.

00:03:11: Das ist ungefährlich und sogar nützlich, würde ich sagen.

00:03:15: Aber der Stress, der nicht zum gegenwärtigen Augenblick gehört,

00:03:18: den sollen wir uns bemühen zu minimieren.

00:03:21: Und der zweite Teil ist eben das mit der Bewertung,

00:03:24: weil das können wir supergut, das ist das mit der Bewertung.

00:03:28: 'Das mag ich, das mag ich nicht.' 'Das wird gut.' 'Das wird schlecht.'

00:03:32: 'Das ist mein Typ.' 'Das ist nicht mein Typ.'

00:03:34: Und dann regen wir uns auf

00:03:36: über diese Bewertung, was dann sehr oft

00:03:40: gar nicht stimmt oder ganz anders ausfällt.

00:03:43: Und jeder hat ein Beispiel davon, etwas ist passiert ... ja?

00:03:46: [Franziska Czens:] Ja, mir fällt sofort 1.000 Dinge ein, wo ich, wo ich sage,

00:03:50: ja, da, [lacht] habe ich das genauso gemacht.

00:03:54: Ja, erzähl mal weiter. Spannend.

00:03:56: [Lotte Bock:] Ja, das ist oft das, was ich auch so

00:03:58: mit meinen, mit meinen Kunden bespreche.

00:04:00: Eben diese Bewertung zu hinterfragen,

00:04:05: ewas ist passiert, da steht zum Beispiel eine Organisationsänderung bevor

00:04:11: und was könnte es alles heißen?

00:04:14: Dann regen die sich darüber auf und kurz sagen: 'Hey, Stop,

00:04:17: wie viel davon ist tatsächlich

00:04:19: Facts und wie viel davon könnte jetzt wirklich passieren?'

00:04:23: Oder wenn ich mit ...

00:04:25: mit Schülern arbeite oder ...

00:04:27: oder Menschen, die auch in einer Prüfungssituation stehen.

00:04:29: Das ist ja eine typische Angst erregende Situation,

00:04:33: und was ist das Schlimmste, was passieren könnte?

00:04:35: 'Ja, dass ich das nicht schaffe.' Und: 'Ich werde durchfallen',

00:04:39: und, und, und.

00:04:40: Und dann stelle ich oft die Frage: 'Wie oft ist das passiert?'

00:04:43: [Franziska Czens:] 'Wie realistisch ist das eigentlich?'

00:04:45: [Lotte Bock:] Genau! 'Wie realistisch ist das?'

00:04:47: 'Ja, das ist eigentlich

00:04:48: nie passiert', oder es ist vielleicht einmal passiert.

00:04:50: Okay, ein mal von was?

00:04:51: 50 Klausuren im gesamten Leben.

00:04:55: Und dann

00:04:55: kommt diese Realitätsprüfung rein, sagt: 'Na ja, stimmt,

00:04:58: eigentlich ist das ja so ein Bild in meinem Kopf,

00:05:01: was ich verfolge'.

00:05:03: Und Achtsamkeit ist dann dieses Bewusstsein,

00:05:06: was, was ist tatsächlich Realität und was ist eher

00:05:10: so ein Gedankenmuster, das ich jetzt verfolge?

00:05:14: Darum geht es primär in Achtsamkeit.

00:05:17: Und das ist nicht so ein ...

00:05:18: oft habe ich auch Kunden oder Teilnehmer, die sagen: 'Ähm

00:05:22: ja, ich habe versucht, Achtsamkeit zu praktizieren'

00:05:24: und es, bekannterweise

00:05:26: ist ein Teil von Achtsamkeit auch eine Meditationspraxis

00:05:29: oder eine Entspannungspraxis,

00:05:31: gerne auf täglicher Basis, und dann sagen:

00:05:33: 'Das funktioniert nicht bei mir, weil

00:05:37: ich habe viele Gedanken bei der Meditation'

00:05:39: oder 'ich bin unruhig'.

00:05:42: Und dahinter

00:05:43: liegt ja so eine Vorstellung, dass wenn man achtsam ist, dann

00:05:46: ist man ruhig und entspannt und gedankenlos, und so weiter.

00:05:50: Und es kann passieren, es kann auch nicht passieren.

00:05:54: Und Achtsamkeit ist, das wahrzunehmen, was nun mal da ist.

00:05:59: Und sich nicht da rein zu steigern.

00:06:01: [Franziska Czens:] Und dann vielleicht auch mal Fünfe gerade sein zu lassen,

00:06:04: um mal wieder zu den Dänen zurückzukommen.

00:06:06: [Lotte Bock:] Genau, genau das ist die Einstellung.

00:06:08: Sagt: Na ja, mal gucken, was jetzt, was jetzt passiert,

00:06:11: bevor ich mich da rein steigere.

00:06:14: [Franziska Czens:] Und auch mal gucken, was jetzt

00:06:15: gerade dran ist, wahrscheinlich, ne?

00:06:18: [Lotte Bock:] Ja, genau das ist ja ...

00:06:20: also schließlich geht es ja zurück auf unsere

00:06:22: Konditionierung vom Gehirn.

00:06:24: Das ist ja da, wo die Psychologie jetzt auch reinkommt und sagt ...

00:06:28: Ja, bekannterweise, früher dachte man ja, das

00:06:31: so wie das Gehirn zusammengesetzt

00:06:32: ist, das wird in der Kindheit ausschließlich festgelegt

00:06:36: und dann müssen wir einfach irgendwie damit klarkommen,

00:06:39: wie es jetzt aussieht.

00:06:40: Und dann kam ja unter anderem die Neuropsychologie dazu und sagte:

00:06:43: Hey, stopp mal, so ist es eigentlich gar nicht.

00:06:45: Das Gehirn verändert sich das ganze Leben,

00:06:49: je nachdem, was wir erleben,

00:06:50: was wir denken, unsere Routinen.

00:06:53: Und das ist hier auch,

00:06:55: wo die Achtsamkeit ihre Stärke hat, zu sagen:

00:06:58: Ja, wir können ja unsere Wahrnehmung konditionieren.

00:07:03: Nicht, indem wir einmal einen schlauen Artikel darüber lesen

00:07:06: oder einmal das Wort Achtsamkeit hören.

00:07:09: Das ...

00:07:09: das ist das gleiche als ein gesundes Rezept, Rezept zu lesen.

00:07:12: Dadurch werden wir auch unsere Ernährung nicht verändern.

00:07:16: [Franziska Czens:] Ja, schönes Beispiel.

00:07:18: [Lotte Bock:] Das liegt ja in der Umsetzung.

00:07:19: Und ... und ...

00:07:20: und dann diese Einsicht: Ich kann was machen,

00:07:23: und ich kann tatsächlich meine Wahrnehmung

00:07:26: beeinflussen, damit ich meinem Gehirn beibringe,

00:07:30: was es heißt, wie du sagst, im Hier und Jetzt zu sein.

00:07:34: Aber das ist ja kein Dauerzustand.

00:07:36: Das ist so ein ...

00:07:37: es ist öfter und wenn es überwiegend der Fall ist,

00:07:41: dann spürt man eben diese Gelassenheit und,

00:07:42: äh, und ja, nenn das Glück oder Zufriedenheit,

00:07:47: das ist das, wodurch es dann entsteht.

00:07:50: [Franziska Czens:] Okay.

00:07:51: Und jetzt hast du dich

00:07:52: ja beruflich schon sehr, sehr viel damit beschäftigt.

00:07:55: Machst aber auch noch mal eine Studie gerade mit Führungskräften,

00:07:59: wo du dir auch noch mal anschaust:

00:08:01: Dankbarkeit, Selbstempathie und Mitgefühl,

00:08:04: was die mit emotionalen Kompetenzen zu tun haben.

00:08:07: Wie passt denn das zu Achtsamkeit?

00:08:09: Und was ist das Neue an dieser Studie?

00:08:12: Was machst du da überhaupt?

00:08:14: [Lotte Bock:] Also die Idee kam bei meiner Masterarbeit, wo ich

00:08:18: so ein bisschen aus dem Bedarf, was aus Corona entstanden ist,

00:08:21: dann habe ich mich gefragt: Mit wie wenig kommt man eigentlich klar?

00:08:25: Weil meine Kunden, wir alle anderen wahrscheinlich auch,

00:08:27: wir wollen am meisten oder am liebsten

00:08:30: wenig Input und Riesen-Output.

00:08:32: Also wenig machen, und dann haben wir den allerbesten Erfolg dadurch.

00:08:37: Und wo schneiden die Zwei

00:08:38: sich gerade über?

00:08:40: Wo kann man sagen, mit wie wenig Achtsamkeit komme ich klar

00:08:44: und habe immer noch eine Wirkung?

00:08:46: Das war das eine, was ich gerne untersuchen wollte

00:08:47: mit meiner Masterarbeit.

00:08:49: Und dann auch, ob das überhaupt geht als ein Online-Produkt, eine ...

00:08:53: rein online, wo man keine Trainer vor sich hat,

00:08:56: keine feste Gruppe, aber reines Selbstlernen.

00:08:59: Geht das überhaupt?

00:09:01: Und das habe ich dann erst in der Master festgestellt.

00:09:04: Das geht, und auch mit einer Wirkung.

00:09:06: Es hat einen sehr positiven Effekt auf das Stressempfinden

00:09:09: nach nur 4 Wochen mit ungefähr

00:09:12: 10, 15 Minuten Praxis pro Tag.

00:09:14: Dann haben wir es noch mal aufgesetzt,

00:09:16: auch mit Unterstützung von der Euro-FH,

00:09:19: und auch die

00:09:19: Langzeitwirkung auch gemessen und auch mit positiven Ergebnissen.

00:09:23: Und dann kam die Frage, ich dachte, Hmm ...

00:09:25: wenn das geht für Achtsamkeit generell, geht es dann auch

00:09:28: für eine Teilkomponente

00:09:31: innerhalb der Achtsamkeit,

00:09:33: das sich eben mit das was du sagst beschäftigt,

00:09:35: Empathie, Dankbarkeit.

00:09:37: Und warum fand ich das so spannend?

00:09:40: Dieser eine Teil

00:09:42: aus einem klassischen Achtsamkeitskurs ist immer da,

00:09:46: wo ich so ein Erfolgserlebnis

00:09:48: bei fast jedem Teilnehmer erlebe.

00:09:51: Wenn die eine Woche lang sich mit Dankbarkeit beschäftigen,

00:09:55: und ganz gezielt Empathie üben,

00:09:58: dann kommt immer das Feedback nach einer Woche:

00:10:01: 'Oh, das war so eine tolle Woche und es geht mir so gut'.

00:10:04: Dachte 'Wow, lasst uns doch

00:10:05: das untersuchen!' Was heißt es dann, wenn man das in diesem

00:10:08: Format, 4 Wochen rein online, was heißt das dann?

00:10:13: Kann man da eine Wirkung erreichen?

00:10:16: Und ja, richtig, das untersuchen wir jetzt gerade als Teil von ...

00:10:19: von meiner Promotionsarbeit.

00:10:21: Um zu sagen: Okay,

00:10:22: es hat eine Wirkung, soweit ist die Forschung schon.

00:10:25: Aber hat es jetzt auch eine Wirkung auf die emotionalen Kompetenzen

00:10:29: für die Führungskräfte?

00:10:31: Weil das ist ja auch eine spannende Frage.

00:10:33: Man weiß, dass Intelligenz ist wichtig für Führungserfolg.

00:10:37: Dass man Kompetenzen hat innerhalb seines Bereichs ist auch wichtig.

00:10:41: Aber die dritte Komponente ist eben ...

00:10:43: das ist so der X-Faktor.

00:10:45: Was die guten Führungskräfte von den richtig guten unterscheidet,

00:10:49: ist eben die emotionale Intelligenz.

00:10:50: Und da sind wir so weit, das ...

00:10:53: das stellt keiner mehr in Frage.

00:10:54: Aber wie kommen wir dorthin?

00:10:56: Und gibt es da irgendein Werkzeug, wo wir mit großer Wahrscheinlichkeit

00:10:59: sagen können: Hey, macht das hier und dann sind wir auf einem guten Weg?

00:11:04: Das ist ...

00:11:05: darum geht es jetzt.

00:11:06: Ich bin sehr gespannt, was da rauskommt.

00:11:08: [Franziska Czens:] Ich bin auch mega gespannt.

00:11:11: Die Studie läuft ja gerade und alle Teilnehmer machen

00:11:14: so einen 4-Wochen Kurs bei dir.

00:11:16: Ähm, also

00:11:17: ein Onlinekurs, den du aufgesetzt hast.

00:11:20: Jetzt hast du gerade schon gesagt, deine Probanden kommen halt

00:11:24: und haben gesagt: 'Wir haben irgendwie

00:11:26: ein echten Mehrwert, wir haben echt was gelernt.

00:11:29: Und das war eine ganz, ganz tolle Woche bei uns.'

00:11:33: Wo siehst du denn jetzt auch Potenzial für jeden

00:11:36: von unseren Hörern, sich mal intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen?

00:11:40: Warum kann das für jeden einen Mehrwert haben?

00:11:42: [Lotte Bock:] Genau.

00:11:44: Also das, was man erst verstehen muss, ist,

00:11:46: dass wenn es um Dankbarkeit geht, wenn es um diese positive Sichtweise,

00:11:51: dann heißt es nicht, dass man

00:11:54: so eine Augenwischerei und alles

00:11:56: schön reden muss, weil da haben viele einen Widerstand

00:11:58: und sagen, das ist doch eigentlich nein, also pure Verleugnung.

00:12:02: Nein, es geht nur darum, dass man sagt,

00:12:04: was ist auch da?

00:12:06: So, so in einer Energiekrise hier,

00:12:09: das ist ja da, es ist ja sehr präsent, das ...

00:12:12: nimm was anderes, Weihnachtsstress, Prüfungsstress,

00:12:15: was auch immer, es ist ja alles da.

00:12:17: Aber was ist auch da?

00:12:19: Und da muss man manchmal sich einfach fragen, und die Aufgabe

00:12:22: geben, und sagen: Okay, jetzt suche ich, bis ich was gefunden habe,

00:12:26: was vielleicht nicht das große Glück

00:12:29: und andauernde Glück erzeugt,

00:12:32: bei mir aber so ein Mini-Gefühl davon.

00:12:34: Zum Beispiel: die Sonne scheint oder ich habe einen Parkplatz

00:12:38: direkt vor der Tür bekommen oder der Kaffee war lecker.

00:12:41: Ja genau. Oder

00:12:44: die Kinder sind aufgestanden, als ich die zum ersten Mal gerufen habe.

00:12:47: Also auch nicht selbstverständlich für die, die Kinder haben.

00:12:50: Oder ich hab ...

00:12:53: ich treffe mich

00:12:55: am Wochenende mit Freunden, ich hatte ein nettes Gespräch,

00:12:57: jemand hat mir zugelächelt in der Bahn, was auch immer.

00:13:01: Und dann sammel ich das

00:13:02: ganz bewusst und nicht nur in so ein: 'Na ja, das war ja auch nett.'

00:13:06: Und dann so, als kleiner Gedanke,

00:13:08: ich schreib das auf.

00:13:10: Und warum ist das so effektiv?

00:13:12: Das liegt ja auch zurück.

00:13:14: Und wie wir so funktionieren im Gehirn,

00:13:16: das Gehirn kennt ja keinen Unterschied, ob ich jetzt

00:13:19: irgendeine negative Erfahrung

00:13:21: nochmal raushole in meiner, in meinem Gehirn.

00:13:24: Dann glaubt mein Gehirn ja, ich bin noch da.

00:13:27: Ich erlebe diese negative Erfahrung noch einmal.

00:13:30: Wenn ich das nochmal von meine ...

00:13:32: dann erzähle ich meiner Freundin, meinen Bekannten, meiner Familie

00:13:34: von dieser negativen Erfahrung und was passiert?

00:13:37: Ich versetze mich in diese Situation

00:13:40: wieder, und wieder, und wieder.

00:13:42: Das funktioniert aber auch andersrum.

00:13:45: So, wenn ich ein kleines, schönes Erlebnis

00:13:47: hatte im Laufe des Tages und ich hole es mir bewusst raus,

00:13:51: ja dann versetze ich mich da auch noch mal rein, und hab's dann,

00:13:55: ich sage mal,

00:13:57: ich darf die Schokolade

00:13:57: zwei mal essen oder mein Gehirn darf es zwei mal essen

00:14:00: und kriegt zwei mal dieses schöne Erlebnis oder drei mal.

00:14:04: Und deswegen, 'Was kann jeder machen?', war deine Frage.

00:14:07: Für eine Woche, für zwei Wochen aufschreiben: Was war an dem Tag?

00:14:12: Und wenn man ein bisschen Problem hat

00:14:13: mit diesem 'Ja,war ich wirklich glücklich'?

00:14:15: 'Bin ich wirklich dankbar darüber?'

00:14:17: Dann ersetzt man das mit einem Wort,

00:14:19: was für einen besser passt: Ich war 'zufrieden'.

00:14:22: Ich war ...

00:14:23: 'es hat mir Freude bereitet'.

00:14:24: Irgendetwas, was sagt, okay, auf jeden Fall für mich

00:14:27: ein positives Gefühl erweckt.

00:14:30: Und dann schreibt man es auf, und einige wollen das auf ...

00:14:33: in einer App aufschreiben.

00:14:35: Da gibt es auch tolle Apps dazu, da sucht man einfach in seinem

00:14:38: App-Store nach 'Dankbarkeit' oder 'Gratitude' auf Englisch.

00:14:42: Oder man nimmt ein kleines Notizbuch oder

00:14:45: man kann auch, das hat auch, viele setzen das so um, die machen es

00:14:48: als kleinen Familien-Gag, und stellen ein Glas auf,

00:14:53: irgendwo sichtbar, und jeder schmeißt Zettel rein.

00:14:56: Jeden Tag ein, zwei Sachen,

00:14:57: und diese visuelle Komponente man sieht ...

00:15:00: man sieht wie der Inhalt wächst,

00:15:02: das wächst von schönen Erlebnissen.

00:15:05: Natürlich dann auch mit der Möglichkeit,

00:15:06: sage ich gerne, dass an den Tagen wo es einfach nichts gibt,

00:15:10: worüber man sich freut, dann darf man einen Zettel ziehen

00:15:14: oder sich wieder einen Zettel rausholen und sagen: 'Ah ja,

00:15:18: das ist ja nicht alles so schwarz und negativ und grau was, was meine Wahrnehmung

00:15:23: mir im Augenblick versucht zu vermitteln.'

00:15:26: Und so kann man relativ schnell

00:15:28: seine Wahrnehmung konditionieren.

00:15:31: Eine Woche, aber definitiv

00:15:33: zwei Wochen natürlich mit noch größerer Wahrscheinlichkeit.

00:15:36: Und mit vier Wochen, das ist ja das, was ich jetzt untersuche,

00:15:40: da bin ich mir fast sicher, dass da eine Wirkung dann zu erkennen ist.

00:15:45: [Franziska Czens:] Jetzt hast du aber auch gerade schon gesagt,

00:15:46: es gibt ja auch einfach Tage, an denen einfach

00:15:49: alles doof ist, irgendwie gefühlt.

00:15:52: Aber dann ist auch Achtsamkeit, sich sozusagen

00:15:55: einfach zurückzubesinnen auf die schönen Momente.

00:15:58: Weil was du gerade gesagt hast, ist natürlich super relevant.

00:16:01: Das Gehirn durchlebt es einfach noch mal,

00:16:03: und den schönen Moment noch mal zu durchleben, macht

00:16:06: natürlich dann auch an solchen Tagen, an denen es mir

00:16:08: irgendwie gerade nicht so gut geht,

00:16:09: und mir nun gar nichts Nettes über den Weg läuft,

00:16:12: dass ich mir selber einen kleinen, netten Moment schaffe.

00:16:15: [Lotte Bock:] Genau.

00:16:17: Oder erst mal zulässt,

00:16:19: dass diese Tage gibt es ja auch.

00:16:22: Und die dürfen auch da sein.

00:16:23: Und man muss auch ...

00:16:24: da gibt es auch Tage, wo einfach ...

00:16:25: da ist einfach nichts Schönes und das Gute an diesen Tagen ist,

00:16:29: dass wenn dann die guten Tage kommen,

00:16:31: dann stechen die eher heraus.

00:16:33: Also wenn alles jeden Tag sonnig wäre,

00:16:37: dann würden wir es gar nicht mehr schätzen.

00:16:39: Wir schätzen ja in unseren, da wo wir wohnen, schätzen wir

00:16:42: ja genau den Frühling, weil wir den Winter haben.

00:16:46: Ich habe ein Jahr in San Diego verbracht

00:16:48: und da ist es ja das ganze Jahr 20, 25 Grad.

00:16:52: Das ist supertoll, die ersten drei, vier Monate,

00:16:55: und dann fehlt einem dieses ...

00:16:57: Ich brauche, ich brauche Abwechslung.

00:16:59: So, der Berg wird ja desto

00:17:02: höher, oder je höher, desto tiefer das Tal ist.

00:17:05: Und das ist dieses Bewusstsein, dass wir manchmal vergessen,

00:17:09: dass negative Tage gibt es auch.

00:17:11: Und was macht man an den Tagen,

00:17:12: wenn man achtsam durch die Welt läuft?

00:17:15: Man nimmt es einfach wahr, ohne zu bewerten.

00:17:18: Es ist einfach ...

00:17:18: es ist einfach so, ich lege nicht so viel Wert drauf,

00:17:23: dass es nun mal so ist an dem Tag.

00:17:26: [Franziska Czens:] Und ich ärger mich vielleicht auch nicht so sehr über Komponenten,

00:17:28: an denen ich gar nichts ändern kann, ne?

00:17:30: Mir fällt jetzt gerade so was ein wie ...

00:17:33: so ein schöner Spruch: 'Es regnet, oh super, dann spring doch durch die Pfützen!'

00:17:37: [Lotte Bock:] Genau!

00:17:38: [Franziska Czens:] Das ist wahrscheinlich genauso der Ansatz, den man damit verfolgen kann, ne?

00:17:41: [Lotte Bock:] Ja, ja, aber der Regen in sich

00:17:44: ist ja weder schlecht noch gut.

00:17:45: [Franziska Czens:] Ja!

00:17:46: [Lotte Bock:] Der ist da.

00:17:47: Und die Bewertung in meinem Kopf macht dann Sinn als das Ganze. Und

00:17:53: diese ...

00:17:54: diese Dualität auch das zu erkennen und sagt, die Reize,

00:17:57: die von außen kommen, die werden immer da sein.

00:18:00: Manche sind sehr deutlich.

00:18:02: Energiekrise haben wir gerade genannt, Corona,

00:18:05: Krieg in der Ukraine,

00:18:06: also sehr, sehr große Reize für ganz viele Menschen.

00:18:10: Aber das wird ja auch weitergehen.

00:18:12: Es war immer so.

00:18:14: Und wenn ich meinen ganz starken Fokus darauf habe

00:18:17: und lasse mein Glück, wenn wir das Wort wieder aufgreifen

00:18:19: wollen, von den äußerlichen Umständen abhängen lasse,

00:18:24: dann bin ich natürlich sehr,

00:18:26: sehr verletzbar, weil ich ...

00:18:30: da müssen die Umstände passen, damit es mir gut geht.

00:18:32: [Franziska Czens:] Das stimmt, ja.

00:18:33: [Lotte Bock:] Wenn ich sage, das ist ein Reiz, und dann kümmere ich mich

00:18:36: um mein Teil davon, was ich daraus mache.

00:18:39: Weil das ist ja da, wo wir die Möglichkeit haben, was zu ...

00:18:44: zu bewirken.

00:18:45: Und das gibt uns auch ein Gefühl: 'Ich kann was tun'.

00:18:47: Ich kann schon entscheiden, ob ich mich da reinsteigere

00:18:50: in diesen Gedanken, 'alles ist schlimm und doof

00:18:53: und geht gar nicht mehr'.

00:18:55: Oder ob ich das einfach zur Kenntnis

00:18:57: nehme und sag: Das stimmt, und was gibt es noch?

00:19:01: Und das ist

00:19:01: dieser bewusste oder achtsame Umgang mit seiner ...

00:19:04: mit seiner Wahrnehmung, mit seinen Gedanken.

00:19:07: Was man lernen kann in ...

00:19:09: in ein paar Wochen sogar, da kommt dieses, so ein typisches Feedback

00:19:13: in meinen Kursen ist nach drei, vier Wochen,

00:19:15: dass die Teilnehmer sagen:

00:19:18: 'Es ist ganz lustig, also mein ... mein Partner

00:19:21: oder meine Familie sagen das, ich reg mich nicht zu oft auf'.

00:19:24: Oder die sagen: 'Ja, etwas, was mich früher aufgeregt hat,

00:19:28: ich sehe das ganz anders.' Und die,

00:19:32: die wundern sich ja selbst,

00:19:33: weil es so schnell gegangen ist.

00:19:35: Und die Umwelt hat sich ja nicht verändert.

00:19:38: Die Reize sind ja gleich.

00:19:40: [Franziska Czens:] Ja, das stimmt.

00:19:42: Aber 'Lernen' ist ein gutes Stichwort

00:19:43: und 'ganz schnell' ist auch ein gutes Stichwort.

00:19:45: Ich habe es ja anfangs gesagt:

00:19:47: Wir wollen ja in diesem Podcast sehr, sehr kurz uns mal

00:19:51: Themen widmen,

00:19:53: damit man nicht immer ewig lange

00:19:54: 60 Minuten irgendwie was anhören muss, um dann am Ende sich fragt:

00:19:58: 'Was haben die eigentlich gesagt?'

00:20:00: Deswegen mag ich dich jetzt noch mal bitten, Lotte,

00:20:04: ganz kurz zusammenzufassen unter dem Stichwort:

00:20:07: 'Achtsamkeit ist ...' die drei wichtigsten Sätze,

00:20:10: die du als Achtsamkeits-Coach auch den Hörern mitgeben willst,

00:20:15: und mir dann auch noch mal zu sagen:

00:20:17: Warum ist es so wichtig, achtsam zu sein?

00:20:20: [Lotte Bock:] Okay, also der erste Punkt

00:20:22: ist ja: Achtsamkeit ist, im Hier

00:20:24: und Jetzt zu sein mit dem, was ist.

00:20:27: Zweitens ist, die Bewertung bewusst wahrzunehmen,

00:20:32: weil hier liegt der Eigenanteil

00:20:34: in was als Stress empfunden wird und nicht ...

00:20:37: was nicht empfunden wird als Stress.

00:20:39: Und drittens ist die Selbstverantwortung:

00:20:43: Ich nehme die Verantwortung für meinen psychischen mentalen Zustand,

00:20:49: und nehme alles das in die Hand, was ich selbst machen kann.

00:20:54: Das wären die drei Punkte.

00:20:55: Und warum ist das so wichtig? Weil

00:21:00: das ist ... das ist der Weg, wie mir mit den ganzen

00:21:03: Anforderungen, wie wir mit den ganzen Umständen umgehen können.

00:21:06: Das ist der Fokus auf den Eigenanteil,

00:21:09: und nicht all das, was ich nicht kontrollieren kann.

00:21:12: Wenn wir den Fokus drauf halten, was ich nicht kontrollieren kann,

00:21:15: dann fühlen wir uns schwach und wir fühlen uns

00:21:17: als Opfer von den Umständen.

00:21:19: Wenn ich mich daran gewöhne und sage: 'Welchen Teil davon

00:21:23: kann ich selbst in die Hand nehmen,

00:21:25: wo habe ich die Kontrolle?'

00:21:27: Dann bauen wir Selbstvertrauen auf.

00:21:29: Wir bauen Stärke auf, wir fühlen uns 'empowered'.

00:21:32: Und das ist dann dieser positive Kreis,

00:21:36: wo wir dann resilienter werden und weniger Stress empfinden.

00:21:39: Und deswegen ist es wichtig, 'achtsam' zu trainieren.

00:21:43: Kleines bisschen, jeden Tag.

00:21:45: [Franziska Czens:] Okay, ja,

00:21:47: liebe Lotte, dann bleibt mir erst mal noch zu

00:21:49: sagen: Ganz, ganz herzlichen Dank, dass du da warst,

00:21:52: und ich wünsche dir weiterhin ganz, ganz viel Erfolg

00:21:54: mit deiner Studie und bin gespannt, was du rausfinden wirst.

00:21:58: Und bin aber ziemlich sicher, dass du all den Teilnehmenden

00:22:02: die Augen öffnen wirst, wie einfach es ist, die schönen

00:22:04: Momente im Leben zu sehen.

00:22:06: Und dass Achtsamkeit eben nicht nur bedeutet,

00:22:08: dass alles toll ist, sondern einfach, dass man im Moment ist.

00:22:12: Und das ist auch das, was ich euch lieben

00:22:15: Zuhörerinnen und Zuhörern heute mitgeben möchte:

00:22:17: Geht weiterhin mit offenen Augen durch die Welt.

00:22:19: Seid im Moment und wertet nicht,

00:22:21: denn die Welt ist voller spannender psychologischer Phänomene.

00:22:24: Alles Liebe und bis bald bei PsychKnowledge!

00:22:27: Untertitel: Europäische Fernhochschule Hamburg GmbH, 2023

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