Folge 3: Emotionale Didaktik – Sicherheit als Erfolgsfaktor

Shownotes

Weiterführende Informationen und Untertitel gibt es auf:
https://www.euro-fh.de/podcast-psychknowledge/
https://emodaktik.com/

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00:00:05: [Franziska Czens] Hallo und herzlich willkommen zu PsychKnowledge,

00:00:06: dem Psychologie-Lernpodcast der Euro-FH.

00:00:09: Mein Name ist Franziska Czens und ich bin, wie ihr schon wisst,

00:00:12: Soldatin bei der Bundeswehr und Tutorin an der Euro-FH.

00:00:15: In der heutigen Folge spreche ich mit Michael

00:00:18: zu einem Thema, was für jeden beruflichen Kontext,

00:00:20: in dem es ums Lernen geht, super relevant ist,

00:00:23: nämlich emotionale Sicherheit beim Lernen.

00:00:26: Und das wie immer kurz, knapp

00:00:27: und auf den Punkt für euch zusammengefasst.

00:00:29: Hallo Micha, schön, dass du da bist.

00:00:31: Du beschreibst dich ja selbst als 'Emodaktiker'

00:00:33: und bist nach einer langen Zeit, die du tatsächlich in der Schule

00:00:36: verbracht hast, nun selbstständig.

00:00:37: Erzähl uns doch mal bitte kurz, was du unter Emodaktik verstehst.

00:00:42: [Michael Kobbeloer] Sehr gerne, hallo Franzi!

00:00:44: Ja, wir wissen ja seit vielen Jahren inzwischen,

00:00:46: dass Emotionen und Lernen untrennbar miteinander verbunden sind.

00:00:51: Und die Didaktik hat das bisher

00:00:52: leider weitestgehend ignoriert.

00:00:54: Das betrifft quasi ...

00:00:56: ja man kann schon sagen

00:00:57: alle Lernkulturen, die nach dem Kindergarten kommen.

00:01:00: Also Schule, Hochschule, Ausbildung, Erwachsenenbildung

00:01:04: aber auch Lernen im Unternehmen zum Beispiel.

00:01:06: Und wir von emodaktik haben uns auf die Fahnen geschrieben,

00:01:10: quasi Lern- und Veränderungsprozesse so zu gestalten,

00:01:13: dass die wechselseitigen Einflüsse,

00:01:15: also von Didaktik und Emotionen,

00:01:18: dabei optimal berücksichtigt werden.

00:01:21: Und dieses Konzept

00:01:22: der emotionalen Didaktik teilen wir eben mit allen,

00:01:26: wir sagen immer, 'die vorne stehen',

00:01:28: und geben ihnen außergewöhnliche Ideen,

00:01:31: aber auch Methoden und Werkzeuge an die Hand,

00:01:33: die dann helfen sollen, Emotions-günstige,

00:01:37: zielorientierte und erfolgreiche

00:01:39: Lernprozesse zu gestalten.

00:01:42: [Franziska Czens] Aha, und jetzt hast du gerade gesagt: Alles abseits

00:01:44: oder nach dem Kindergarten, was macht da den Unterschied genau?

00:01:47: Also wo, wo siehst du die Trennung

00:01:49: zwischen Lernen im Kindergarten und dann eben in den Schulformen?

00:01:52: Was ist da auf einmal so anders?

00:01:55: [Michael Kobbeloer] Ja, das ist eine sehr gute Frage.

00:01:57: Der Kindergarten hat das, wenn man so will, schon

00:01:59: seitdem es den gibt, also seit über

00:02:02: 100 Jahren, verinnerlicht.

00:02:05: Denn dort wird noch wirklich

00:02:06: ganzheitlich gelernt und die ganze Lernumgebung,

00:02:08: die ganze Lernkultur

00:02:11: ist schon darauf ausgerichtet,

00:02:13: dass es eben auch diese Sicherheit gibt,

00:02:16: diese emotionale Sicherheit gibt beim Lernen.

00:02:19: Es darf ausprobiert werden, es dürfen Fehler gemacht werden,

00:02:22: es gibt ein Feedback.

00:02:24: Diejenigen, die mit den Kindern arbeiten, sind

00:02:27: denen positiv zugewandt.

00:02:29: Die sorgen für eine angenehme Lernatmosphäre.

00:02:31: Und so weiter.

00:02:32: Und das ändert sich quasi in der Schule.

00:02:34: Man kann das schon sehr gut feststellen, zum Beispiel:

00:02:37: In den ersten beiden Jahren der Grundschule läuft es

00:02:39: meistens noch so ähnlich wie im Kindergarten,

00:02:41: aber dann verändert es sich,

00:02:42: dann kommen Noten dazu und so weiter.

00:02:45: Und dann verändert sie sich insgesamt,

00:02:47: und diese Lernkultur zieht sich eigentlich durch.

00:02:51: Man kann nicht generalistisch sagen überall,

00:02:53: aber in sehr vielen Bereichen, die danach kommen.

00:02:57: Leider.

00:02:58: [Franziska Czens] Ja, leider.

00:02:59: Und ist das auch der Grund, warum du damals die Schule verlassen hast?

00:03:01: Und gesagt hast, 'das ist gar nicht meins', und hier passieren

00:03:05: viele Dinge, die

00:03:06: ich nicht für richtig halte und die du jetzt besser machen

00:03:09: willst, und natürlich auch besser machst an der Stelle?

00:03:12: [Michael Kobbeloer] Genau.

00:03:12: Also man kann eigentlich sagen, ich hab die Schule zweimal verlassen,

00:03:15: weil ich sie nämlich, weil ich nämlich früher

00:03:17: ein ausgesprochen schlechter Schüler war,

00:03:21: würde man aus der Sicht von Lehrerinnen und Lehrern sagen.

00:03:24: Ich würde sagen, ich war ein sehr Kreativer

00:03:25: und schon ein Unbequemer.

00:03:28: Und damals habe ich schon

00:03:29: ja die Schule ungerne von innen gesehen,

00:03:31: sondern bin meistens von vorne herein und hinten wieder raus.

00:03:33: Und dann bin ich

00:03:34: aber in die örtliche Bibliothek, weil ich schon neugierig war.

00:03:36: Ich wollte unglaublich viel lernen und habe dann dort eben

00:03:38: mir Vieles angeeignet.

00:03:41: Und als ich das zweite Mal die Schule verlassen habe, war ich ja Lehrer

00:03:44: und Leiter einer Fachschule für Sozialpädagogik.

00:03:46: Habe einfach gemerkt, dass es mehr braucht,

00:03:49: dass es Veränderung braucht in diesen Lernkulturen.

00:03:51: Und mein Ziel war dann eben wirklich dazu beizutragen,

00:03:55: dass wir die Lernkulturen verändern,

00:03:58: dass wir Lernkulturen zukunftsfähig machen.

00:04:01: Weil ich einfach wusste oder irgendwann gemerkt habe,

00:04:03: Emotionen spielen eine riesige Rolle dabei.

00:04:06: Und wenn wir die nicht beachten, werden wir das auch nicht schaffen.

00:04:08: [Franziska Czens] Und jetzt hast du von Emotionen im Allgemeinen gesprochen.

00:04:11: Was für Emotionen hast du so im Sinn, wenn du über Emotionen

00:04:15: beim Lernen sprichst?

00:04:18: [Michael Kobbeloer] Also im Grunde genommen

00:04:20: kann man schon sagen: alle Emotionen.

00:04:22: Natürlich spielen alle irgendwo eine Rolle.

00:04:26: Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir bestimmte

00:04:29: möglichst nicht haben, gerade in aktiven Lernprozessen.

00:04:32: Zum Beispiel dass ...

00:04:34: die Angst spielt eine große Rolle.

00:04:37: Und wenn wir negative Emotionen haben,

00:04:39: dann verhindert das einfach Lernen.

00:04:41: Und dann kann Lernen nicht sehr erfolgreich stattfinden.

00:04:44: Und das kann man jetzt nicht genau auf einzelne Emotionen runterbrechen,

00:04:47: sondern es geht schon so, dass es möglichst so sein sollte,

00:04:50: dass die Emotionen eher positiv sind.

00:04:53: Es kann auch mal ein negativer Trigger sein, der am Anfang steht,

00:04:57: aber in dem Prozess selber

00:04:59: sollten es positive Emotionen sein, damit ich wirklich gut lernen kann.

00:05:04: [Franziska Czens] Okay, und jetzt hast du vorhin gesagt,

00:05:05: im Kindergarten ist das Setting so, dass man irgendwie Fehler

00:05:08: machen darf, dass es eine positive Zugewandtheit gibt,

00:05:11: dass man auch mal ausprobieren darf.

00:05:14: Inwiefern geben diese Dinge

00:05:16: emotionale Sicherheit,

00:05:17: die du ja für so relevant hältst beim Lernen?

00:05:22: [Michael Kobbeloer] Genau.

00:05:22: Wichtig ist einfach, dass wir vielleicht erst mal ...

00:05:26: also grundsätzlich ist es so, dass ...

00:05:28: Emotionen haben eine Auswirkung auf die Gedächtnisleistung.

00:05:31: Sie bedingen aber auch die Aufnahme

00:05:33: und die Verarbeitung von Informationen,

00:05:35: die Bewertung

00:05:37: dessen, was ich da mache und auch das, was dabei rauskommt.

00:05:40: Und sie beeinflussen auch unsere Aufmerksamkeit.

00:05:43: Und wenn eine Lernsituation nicht sicher ist

00:05:46: und eine Bedrohung sein könnte,

00:05:48: können wir uns nicht mehr

00:05:49: auf etwas anderes konzentrieren als auf diese Bedrohung zum Beispiel.

00:05:53: Und das ist einer der Punkte, der zum Beispiel hier

00:05:56: einen Unterschied macht oder der da stattfindet.

00:05:59: Also eine Lernsituation

00:06:01: muss räumlich, sozial und emotional

00:06:03: sicher sein, damit Lernen stattfinden kann.

00:06:06: [Franziska Czens] Okay ...

00:06:08: [Michael Kobbeloer] Ja, soll ich noch einen Schritt weiter gehen?

00:06:11: [Franziska Czens] Ja gerne, gerne, also weil das ist ja natürlich genau das Thema Lernen,

00:06:16: was für unsere Studierenden auch am Ende das greifbar

00:06:18: macht, warum dieser Zusammenhang so wichtig ist

00:06:20: und wie man eben Lernen in der Praxis

00:06:23: auch richtig gut lehren kann am Ende.

00:06:26: Genau, erzähl gern weiter!

00:06:28: [Michael Kobbeloer] Also emotionale Sicherheit beim Lernen

00:06:30: heißt nämlich dementsprechend, dass

00:06:34: Lernen nur dann gelingen kann ...wir lernen ja oft in Gruppen.

00:06:37: Also ganz häufig lernen wir in Lerngemeinschaften,

00:06:39: ich nenne es immer 'Lerngemeinschaften'.

00:06:41: Das kann eine Klasse sein, Seminargruppe

00:06:43: oder wie auch immer, oder auch im Unternehmen.

00:06:45: Und da muss eine Lernatmosphäre

00:06:48: herrschen, in der sich jeder frei äußern kann.

00:06:51: Machen wir den Schritt einmal kurz zurück zum Kindergarten.

00:06:53: Da zum Beispiel kann das stattfinden.

00:06:55: Die Kinder hauen das raus, was sie gerade an Ideen haben.

00:06:57: Jeder, der schon mal da war, weiß das.

00:07:00: Also die ...

00:07:01: die hauen Ideen raus, die erzählen ihre Perspektive der Dinge.

00:07:04: Und wenn sie Fehler machen, dann machen sie Fehler.

00:07:06: Und das machen sie, ohne Angst zu haben.

00:07:09: Und das sind alles Faktoren, die unglaublich wichtig sind.

00:07:12: Und das zusammengefasst ist so diese emotionale Sicherheit.

00:07:16: Weil wir eben aus dem Gegenteil, nämlich der Angst

00:07:19: vor beschämender Kritik,

00:07:20: vor Ablehnung oder abfälligen Reaktionen von Lehrenden,

00:07:25: viele ihre Sichtweisen zurückhalten.

00:07:28: Und wenn das passiert, kann kein echter

00:07:30: und nachhaltiger Lernerfolg entstehen.

00:07:32: Es sei denn, wir definieren Lernerfolg als, na ja, sagen wir mal,

00:07:35: unreflektiertes Nachplappern von dem, der da vorne steht.

00:07:39: Natürlich gibt es von denen immer noch einige, die diese Haltung haben,

00:07:42: aber sie ist absolut nicht mehr zeitgemäß.

00:07:44: [Franziska Czens] Okay, du sagst also das klassische Bundeswehr-Logo

00:07:47: 'Lernen durch Schmerz' ist

00:07:49: irgendwie kein erfolgreiches Konzept an der Stelle? [lacht]

00:07:51: [Michael Kobbeloer] [lacht] Ja, da würde ich jetzt quasi,

00:07:54: da würde ich tatsächlich,

00:07:56: könnte man sagen,

00:07:58: zum Teil vielleicht schon, denn ich werde immer wieder

00:08:00: natürlich auch gefragt in den Seminaren.

00:08:02: Die Frage ist ja, was für eine Form des Lernens wollen wir haben?

00:08:06: Lernen durch Schmerz kennen wir alle.

00:08:08: Lernen durch Schmerz ...

00:08:09: ich habe früher mal auf das Bügeleisen meiner Mutter gefasst,

00:08:12: weil ich einfach wissen wollte: Wie heiß ist es wirklich?

00:08:15: [lacht] Ja, und das ist Lernen durch Schmerz.

00:08:18: Das ist aber ja ein vermeidendes Lernen,

00:08:20: und ein Lernen 'das mache ich nie wieder'.

00:08:22: Was wir in unseren Lernkontexten aber ja wollen, ist,

00:08:25: dass wir ein kreatives Lernen haben, ein problemlösendes Lernen,

00:08:29: ein Lernen mit dem wir die Welt weiterbringen.

00:08:31: Und da spielt dann Angst eher eine Rolle,

00:08:34: die nicht so sehr zum Erfolg führt.

00:08:38: [lacht] Und ich glaube, dass ihr

00:08:38: inzwischen auch bei der Bundeswehr hervorragende Strategien

00:08:41: habt, ganz anders damit zu arbeiten.

00:08:43: Ich weiß ja, wie du es gerade gemeint hast.

00:08:45: [Franziska Czens] Ja, ich würde behaupten, dass meine Studierenden,

00:08:48: oder die Studierenden der Euro-FH

00:08:49: auch nicht sagen, dass wir durch Schmerzen lernen da.

00:08:52: Also würdest du schon sagen, dass emotionale Sicherheit

00:08:55: eigentlich für alle Lernkontexte

00:08:58: hilfreich und wichtig ist?

00:09:00: [Michael Kobbeloer] Absolut.

00:09:01: Das ist für alle Lernkontexte wichtig

00:09:05: und ich muss natürlich dann,

00:09:06: um das herzustellen,

00:09:09: gewisse Voraussetzungen schaffen für die Lernsituationen.

00:09:12: Es sind zum Beispiel ...

00:09:13: ist es echt wichtig, dass es ein gemeinsames Lernziel gibt

00:09:16: und dass sich alle über dieses Lernziel einig sind.

00:09:19: Also es ist klar: Was passiert heute,

00:09:21: was soll, was soll gelernt werden?

00:09:24: Das heißt auch, dass ich den Sinn dahinter sehe.

00:09:27: All das gehört ja in den Gesamtkontext mit rein.

00:09:30: Und es sollte eben auch klar sein,

00:09:32: und das passiert leider

00:09:34: absolut viel zu selten,

00:09:36: dass Scheitern möglich ist.

00:09:38: Scheitern ist immer ein Teil eines Lernprozesses.

00:09:41: Und wenn wir so tun,

00:09:42: als wenn das nicht so wäre, ist es kein echter Lernprozess.

00:09:45: Die großartigsten Ideen, die bei uns entstanden sind,

00:09:48: sind eigentlich Geschichten des Scheiterns.

00:09:50: Und es würde jetzt den Rahmen sprengen, wenn ich da viele Beispiele

00:09:53: finden würde.

00:09:53: Aber das kann man wirklich sehr gut nachvollziehen. Und

00:09:58: für diesen Lernkontext

00:10:00: ist es echt total wichtig, dass ...

00:10:02: wir nennen sie ja 'Lernkomplizen'.

00:10:03: Wir versuchen eine neue Haltung zu transportieren.

00:10:06: Also alle, die vorne stehen

00:10:07: und diese Haltung haben, die nennen wir Lernkomplizen.

00:10:10: Und wir haben noch ein weiteres ...

00:10:12: weiteren Begriff geprägt:

00:10:14: Wir nennen unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht mehr

00:10:17: Teilnehmerin und Teilnehmer, sondern wir nennen sie 'Lerngäste'.

00:10:20: [Franziska Czens] Okay ...

00:10:20: [Michael Kobbeloer] Lerngäste, es ist einfach, dahinter steckt eine andere Haltung,

00:10:24: eine völlig andere Haltung. Denn

00:10:28: für die ist klar,

00:10:31: sie stellen ...

00:10:31: oder Lerngäste bejahen die Frage: 'Kann ich das

00:10:36: Risiko von Lernbeziehungen eingehen?'

00:10:37: [Franziska Czens] Was bedeutet das?

00:10:39: [Michael Kobbeloer] Das heißt für die also quasi,

00:10:41: die Atmosphäre im Lernraum

00:10:43: ist für mich so sicher, dass ich das Risiko

00:10:46: von Beziehungen eingehen kann.

00:10:49: Und im allerbesten Fall sogar so sicher,

00:10:51: dass ich mich quasi verpflichtet fühle,

00:10:54: meine Gedanken zu äußern,

00:10:56: um etwas zum echten und nachhaltigen Lernerfolg beizutragen.

00:10:59: Wir wissen ja, weißt du, so ein kleiner Gedanke von jemanden,

00:11:02: der plötzlich auf eine tolle Idee kommt oder sagt:

00:11:05: 'Das, was hier gerade thematisiert wird, kann doch nicht richtig sein.

00:11:09: Da müssen wir noch mal anders drüber nachdenken.'

00:11:11: Das kann Großartiges für den Lernerfolg einer Gruppe bedeuten.

00:11:15: Wenn das aber nicht möglich ist,

00:11:17: weil die Angst größer ist

00:11:19: als dieser Schritt zu sagen: 'Ach,

00:11:22: der Erfolg könnte größer sein!', dann entsteht das eben nicht.

00:11:27: [Franziska Czens] Und jetzt noch mal:

00:11:28: Woran erkennt man denn

00:11:30: den Unterschied, wenn man jetzt sich zwei Klassen angucken würde

00:11:33: oder vielleicht auch

00:11:33: zwei Institutionen, an denen man gerne was lernen möchte ...

00:11:36: Woran, würdest du sagen, erkennt man den Unterschied sehr schnell?

00:11:40: Wie, also in welchem Lernumfeld oder wie ...wie groß

00:11:45: die emotionale Sicherheit ist in diesem Lernsetting. Gibt ...

00:11:48: hast du so, weißt du, so drei Punkte, wo du sagst ja oder zwei, ja,

00:11:52: wenn ich da reingehe und ich erkenne sofort 'das' ...

00:11:56: dann ist das ein toller Lernkontext?

00:11:59: [Michael Kobbeloer] Ja, das ist ...

00:12:00: man kann sagen, das beinhaltet so zwei zentrale Basiskriterien

00:12:05: sage ich immer, die erfüllt sein müssen, damit genau so was entsteht.

00:12:08: Damit der Unterschied ist zwischen dem einen,

00:12:11: der ist eher nicht so gut, und dem anderen.

00:12:14: Das eine ist für mich ganz klar der Lernraum an sich,

00:12:18: also der physische Raum, der trägt eben ganz klar dazu bei.

00:12:20: [Franziska Czens] Also das Klassenzimmer, sozusagen.

00:12:22: [Michael Kobbeloer] Nennen wir es das Klassenzimmer oder den Seminarraum, genau.

00:12:27: Die Raumtemperatur, das Klima, die Sitzmöbel, der Geruch,

00:12:30: die Farben.

00:12:31: Meine Vorbereitung dieses Raumes, ist der aufgeräumt

00:12:34: und sauber, habe ich ihn für den Lernprozess vorbereitet,

00:12:38: so dass ich - und da kommt der Begriff wieder ins

00:12:39: Spiel - Lerngäste empfangen kann?

00:12:42: [Franziska Czens] Ah ja.

00:12:43: [Michael Kobbeloer] Also wie empfängst du Gäste zu Hause?

00:12:45: Wie empfangen wir ... teilweise wird ja ...

00:12:47: also die Frage, wenn man sich diese Frage wirklich ernsthaft stellt,

00:12:50: dann könnte man, dürfte man manche Seminar- und Lernräume

00:12:53: gar nicht betreten, weil es nicht dem entspricht ...

00:12:55: [Franziska Czens] In der Tat, ja! ...

00:12:55: [Michael Kobbeloer] wie wir es zu Hause machen würden.

00:12:56: Und ich habe so viele Seminarräume dieser Welt kennengelernt.

00:13:00: Von Kellerräumen ohne Licht und ohne Fenster

00:13:04: bis hin zu traumhaften Lernräumen,

00:13:06: mit unglaublich viel Tageslicht, viel Holz ...

00:13:09: Räume, in denen man gar nicht mehr ...

00:13:11: aus denen man gar nicht mehr weg will.

00:13:13: [Franziska Czens] In denen man einfach gerne ist.

00:13:14: [Michael Kobbeloer] Genau.

00:13:15: Der Punkt ist einfach auch der, wir stellen es ...

00:13:18: oder können wir uns alle daran erinnern, warum haben wir, oder

00:13:21: warum verlassen unsere Kinder

00:13:23: die Schulen immer so fluchtartig, wenn die Klingel geht?

00:13:27: Weil es einfach nicht auszuhalten ist in diesen Räumen.

00:13:29: Diese Räume sind derartig ungemütlich und ungeeignet.

00:13:33: Also da will doch sich kein Mensch länger aufhalten drin als er muss.

00:13:36: [Franziska Czens] Ja, das stimmt.

00:13:37: [Michael Kobbeloer] Aber ich kenne Seminarräume, in denen

00:13:39: tatsächlich, ist wirklich kein Witz,

00:13:40: in denen meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer

00:13:41: den Raum gar nicht verlassen wollen in den Kaffeepausen, weil

00:13:44: er so schön ist.

00:13:45: Also der eine Teil ist quasi

00:13:47: dieser, dieser physische Raum, der enorm wichtig ist.

00:13:49: Und der zweite Teil ist natürlich der, was ich eben schon so

00:13:51: angesprochen habe, ist der psychische Lernraum.

00:13:55: Das fängt damit an: Wie begrüße ich eigentlich?

00:13:58: Wie begrüße ich die, die kommen?

00:13:59: Wie begrüße ich meine Lerngäste?

00:14:01: Ich begrüße meine zum Beispiel alle, vor Corona

00:14:04: mit der Hand, dann in Corona mit der Ghettofaust.

00:14:08: Aber ich sehe jeden.

00:14:10: Und dadurch merkt man einfach schon ...

00:14:13: ich sorge insgesamt schon ab diesem Schritt

00:14:15: dafür, dass positive Emotionen entstehen können.

00:14:18: Ich wecke Neugierde, zeige auf,

00:14:20: dass ich fehlerfreundlich bin.

00:14:22: Das alles ist der psychische Lernraum.

00:14:24: Ich gebe zum Beispiel meinen Teilnehmerinnen

00:14:25: und Teilnehmern ab und zu mal so die Aufgabe,

00:14:28: auch gerade wenn es um Übungen geht, macht mindestens

00:14:31: zwei Fehler in dieser Übung und berichtet nachher davon.

00:14:35: Also diese beiden Kriterien würde ich sagen,

00:14:37: daran erkenne ich wirklich, ob, ob die Situation,

00:14:42: ob es eine emotionale Sicherheit im Lernraum gibt.

00:14:45: Wenn diese beiden Kriterien gut erfüllt sind,

00:14:48: dann habe ich eigentlich eine gute Möglichkeit zu lernen.

00:14:50: Und vielleicht noch einen Satz dazu, den ich immer sehr gern mag, ist

00:14:53: von der amerikanischen Schamforscherin Brené Brown,

00:14:56: die mal gesagt hat:

00:14:57: 'Wir können nicht lernen,

00:14:59: wenn wir mit gesenktem Kopf dasitzen und den Mund halten'.

00:15:03: Und ich glaube, das ist ein schönes Beispiel dafür,

00:15:06: dass wir das verändern müssen, damit Lernprozesse eben in einer

00:15:10: Atmosphäre der emotionalen Sicherheit wirklich erfolgreich sein können.

00:15:13: [Franziska Czens] Ja, sehr, sehr schönes Bild.

00:15:15: Und jetzt die Frage noch mal an dich: Gerade wenn du noch mal schaust

00:15:18: auf die Zielgruppe, mit wem wollen wir hier

00:15:21: in unserem Podcast was beibringen, was mitgeben?

00:15:24: Also Fernstudierende, aber vielleicht auch Dozentinnen und Dozenten

00:15:26: und alle, die eben auch an Psychologie interessiert sind

00:15:30: und auch daran, wie sie sie im Alltag bestmöglich nutzen.

00:15:34: Was ist es denn stattdessen, was wir wollen?

00:15:37: Also nicht das gesenkte Haupt, sondern was?

00:15:39: Was ist es dann,

00:15:41: wofür stehst du und alle deine Emodaktiker?

00:15:45: Für was für ein Bild des 'Lerngastes'?

00:15:48: [Michael Kobbeloer] Ja, genau.

00:15:51: Ja, also lass deine Lerngäste fühlen,

00:15:55: dass ihre Aussagen bedeutsam sind, zum Beispiel, ne?

00:15:58: Dafür ist es zum Beispiel wichtig, dass man von Anfang

00:16:00: an eine wertschätzende Reaktion zeigt

00:16:02: und auch andere auffordert, dies zu tun.

00:16:05: Also ich sorge als Dozentin oder Dozent

00:16:09: dafür, dass die Lernkultur in dem Raum

00:16:12: so ist, wie ich sie mir wünsche und wie ich sie auch vorgebe.

00:16:15: Also zum Beispiel:

00:16:17: Ich sanktioniere auch Verstöße

00:16:19: gegen gemeinsame Absprachen und Regeln meiner Lernkultur.

00:16:23: Also zum Beispiel eine Wertschätzung,

00:16:26: also gegenseitige Angriffe oder dergleichen.

00:16:29: Ne, da gehe ich drauf ein und lass die nicht einfach im Raum stehen.

00:16:33: Also ich bin quasi ...

00:16:34: oder ich werde dann, und das wäre auch meine Aufforderung

00:16:36: oder mein Wunsch immer wieder an diejenigen,

00:16:39: die vorne stehen, also in eurem Fall jetzt

00:16:41: die Dozentinnen und Dozenten: Sie sind die Lernkulturgestalter

00:16:45: von diesem Setting.

00:16:47: Und ich sage auch immer so, oder was ich schön

00:16:50: finde ist, dass man sich hinterfragt, ob die Lernsettings so gestaltet

00:16:54: sind, wie ich es eben beschrieben habe,

00:16:56: dass sie dieser Definition

00:16:58: einer sicheren Umgebung gerecht werden.

00:17:01: Emotionen beeinflussen unsere Aufmerksamkeit

00:17:04: und wenn die Situation nicht sicher ist,

00:17:06: dann können wir uns nicht mehr auf was anderes konzentrieren.

00:17:10: Bestes Beispiel: Ich hatte gestern Rückenschmerzen

00:17:13: und der Schmerz war eben so da, dass ich im Sitzen

00:17:15: einfach definitiv mich nicht konzentrieren konnte.

00:17:18: Also wenn so ein Gefühl überlagert,

00:17:21: ist es nicht möglich, weder zu arbeiten noch zu lernen.

00:17:25: [Franziska Czens] Noch weniger zu lernen, als zu arbeiten, wahrscheinlich.

00:17:26: [Michael Kobbeloer] Wahrscheinlich noch viel, noch viel weniger.

00:17:29: Also arbeiten geht dann manchmal

00:17:30: noch in Routineprozessen, aber Lernen ist in der Regel

00:17:32: kein Routineprozess, sondern etwas sehr besonderes, individuelles.

00:17:36: Und das würde ich einfach

00:17:37: mit auf den Weg geben, dass das glaube ich wichtig ist.

00:17:40: Und wenn man die beiden oberen Kriterien,

00:17:41: die ich eben schon genannt habe, quasi umsetzt und ich ...

00:17:45: ich bei so Kleinigkeiten, mal

00:17:47: einfach mal dafür zu sorgen,

00:17:49: den Raum vorzubereiten

00:17:51: oder auch eine andere Begrüßung.

00:17:53: Also viele belächeln das ja.

00:17:55: Und ich sage immer wieder: Probiert es einfach mal aus,

00:17:57: das kostet ja nun wirklich nicht viel Zeit.

00:17:59: Begrüßt mal alle Lerngäste persönlich, ob mit Hand

00:18:04: oder Ghettofaust könnt ihr euch in Corona-Zeiten überlegen.

00:18:07: [Franziska Czens] Ja genau ...

00:18:07: [Michael Kobbeloer] Ich werde gesehen. Und genau, und guckt,

00:18:09: ob es einen Unterschied macht, fühlt, ob es einen Unterschied ...

00:18:12: ich habe es gemacht

00:18:13: und ich habe den Unterschied

00:18:14: so deutlich gespürt, dass ich es nie wieder anders machen würde.

00:18:18: Weil auch diese Situationen, die wir immer wieder haben.

00:18:22: Dann sprechen Kolleginnen und Kollegen

00:18:23: von schwierigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern

00:18:25: oder Schülerinnen und Schülern oder Studentinnen und Studenten.

00:18:28: Die gibt es bei mir fast gar nicht, weil eben dieses Setting

00:18:31: schon so ist, dass sie merken, sie sind meine Gäste.

00:18:34: Und Gäste

00:18:36: fühlen sich eingeladen und gehen nicht

00:18:38: sofort in den Widerstand und protestieren, und, und, und,

00:18:42: und so weiter.

00:18:43: Also das hilft einfach auch mir

00:18:44: selber, mich mehr wohl zu fühlen.

00:18:46: Also das ist einfach nicht nur einfach

00:18:48: eine einseitige Geschichte, nach dem Motto: Ja,

00:18:50: die anderen fühlen sich dann wohl und ich nicht.

00:18:52: Nein, nein, ich fühle mich damit auch deutlich wohler.

00:18:55: [Franziska Czens] Also 'win, win', super!

00:18:57: [Michael Kobbeloer] Win, win!

00:18:59: [Franziska Czens] Okay mein Lieber, dann haben wir ja gesagt, wir machen das hier

00:19:02: als Podcast ohne viel Klönschnack, kurz, knapp und auf den Punkt.

00:19:05: Und deshalb mag ich dich jetzt einfach noch mal bitten, zum Ende

00:19:08: wirklich in drei Sätzen,

00:19:10: so dass das am besten gut mitschreibbar ist für alle,

00:19:13: zusammenzufassen: Was bedeutet emotionale Sicherheit

00:19:16: beim Lernen und warum macht es einen Unterschied?

00:19:20: [Michael Kobbeloer] Ich probier es in drei Sätzen, genau ...

00:19:22: [Franziska Czens] [lacht] Darfst auch vier!

00:19:23: [Michael Kobbeloer] [lacht] Nein, ich schaff's glaube ich,

00:19:26: aber vieles von dem habe ich ja oben auch schon genannt.

00:19:28: Ich fasse mal zusammen: Also emotionale Sicherheit

00:19:31: ist ein zentraler Bestandteil einer erfolgreichen Lernkultur.

00:19:34: Es bedeutet, Lernende

00:19:37: als Lerngäste zu betrachten

00:19:39: und einen physischen und psychischen Lernkontext zu schaffen,

00:19:43: der von einem gemeinsamen Lernziel und einer

00:19:46: Atmosphäre der emotionalen Sicherheit geprägt ist.

00:19:49: Der Unterschied, den das Ganze macht, ist ein deutlich

00:19:53: größerer Lernerfolg und mehr Unterschiede

00:19:56: braucht es nicht, denn das ist das Ziel von Lernen.

00:19:59: [Franziska Czens] Ich wollte gerade sagen, das klingt auch einfach ...ja, wie?

00:20:03: Na klar ist es wichtig.

00:20:04: Und na klar müssen wir uns alle damit auseinandersetzen, das zu wollen.

00:20:09: Denn was will man mehr als Lehrender,

00:20:11: als den Unterschied zu machen an der Stelle,

00:20:14: und viel mehr

00:20:16: Lernerfahrung weiterzugeben?

00:20:19: Herzlichen Dank, Micha,

00:20:20: und ich sage einfach mal für alle weiteren Fragen

00:20:23: und auch zum Nachlesen deiner spannenden Lernangebote

00:20:27: verlinken wir deine Homepage in den Notizen.

00:20:29: Und wer sich eingeladen fühlen möchte, einmal Lerngast zu sein,

00:20:33: der klickt gern

00:20:33: drauf, macht sich selbst schlau und lässt sich auch inspirieren.

00:20:36: Das ist wirklich auch

00:20:37: eine Freude, da drauf zu schauen und man fängt sofort an umzudenken.

00:20:41: Das kann ich versprechen.

00:20:42: Also vielen, vielen Dank an der Stelle.

00:20:44: [Michael Kobbeloer] Danke auch!

00:20:45: [Franziska Czens] Und in der nächsten Folge treffe ich mich mit

00:20:48: Kertin Imming zu einem ganz, ganz anderen, aber ebenso spannenden Thema.

00:20:52: Die nämlich wird uns etwas zu Einflussfaktoren

00:20:54: auf die Lebensqualität von chronisch Kranken erzählen.

00:20:57: Auch ein super wichtiges Thema in der Gesundheitspsychologie diesmal.

00:21:01: Also hört dann auch da gerne rein.

00:21:03: Und wenn ihr ein eigenes Thema einbringen wollt,

00:21:05: lasst uns einfach gerne eine Notiz da.

00:21:07: Wir gehen darauf ein.

00:21:09: Alles Liebe und bis bald bei

00:21:10: PsychKnowledge.

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